„Birther Leseratten“ – Vorlesewettbewerb
Städt. GGS Birth, Velbert
An der Städt. GGS Birth fand der jährliche Vorlesewettbewerb statt. Wir unterstützten die Grundschule mit Büchern.
Lesen in der Grundschule
Eine wichtige Aufgabe der Grundschule besteht darin, den Schülerinnen und Schülern eine grundlegende sprachliche Bildung zu vermitteln, damit sie in gegenwärtigen und zukünftigen Situationen handlungsfähig sind. Insbesondere der Lesekompetenz kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Die Förderung und Ausbildung der Lesekompetenz ist nicht auf die Fähigkeit der Kodierung der Buchstaben zu beschränken, sondern als Rekodierung, als eigenaktiver Prozess der Sinnkonstruktion zu verstehen. Erst dann kann Lesen als gewinnbringend erfahren werden.
Wichtig hierfür ist unter anderem die Motivation, die Lesebereitschaft. Aus diesem Grund sieht das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen die Entwicklung der Fähigkeit des genießenden Lesens als ein Kernanliegen der Grundschule an. Nur wer gerne liest, wird davon auch im Leben profitieren und Freude an einem selbständigen Umgang mit Sprache entwickeln und seine sprachliche Kreativität und Ausdrucksfähigkeit erweitern (vgl. Bartnitzky 2008: Sprachunterricht heute. 13).
Ideen und Ziele
Im Rahmen der Teilnahme an dem Projekt Lesekönig wurde die Lese-AG Birther Leseratten etabliert.
Ausgehend von den o.g. Kernanliegen des Ministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen soll die Lese-AG insbesondere die Lesemotivation und das genießende Lesen fördern.
Die Lese-AG richtet sich an Schülerinnen und Schüler der 4. Klassen, die gerne und gut lesen. Im Rahmen der AG soll ihrem Leseinteresse Tribut gezollt werden und durch neue Projekte und Vorhaben weitere Anreize geboten werden, um ihre Lesemotivation aufrechtzuhalten und weiter auszubauen sowie ihre Lesekompetenz zu steigern. Da in diesem Schuljahr der Vorlesewettbewerb der Stadt Velbert vor der Tür stand, wurde in der AG schwerpunktmäßig das Thema Vorlesen thematisiert.
Vorlesen ist vom lauten Lesen abzugrenzen. Es handelt sich nicht um das laute Lesen einzelner Wörter und Sätze, sondern um eine Form des Vortragens. Beim Vorlesen werden weitere Kompetenzen über die Basiskompetenz der Phonem-Graphem-Korrespondenz hinaus angesprochen und gefördert, da es eine intensive Beschäftigung mit dem Text bewirkt und voraussetzt. Der vorzulesende Text muss durchdrungen und verstanden werden, um die Stimmung zu erfassen, diese anderen zu verdeutlichen und somit die Hörer in den Bann und in die Welt des Buches miteinzubeziehen. In diesem Sinne kann die Thematisierung des Vorlesens zu einer Lesekompetenzerweiterung starker Leser führen. Notwendig für das Vorlesen ist neben dem Textverständnis zudem der Einsatz sprecherischer Mittel, um die eigene Deutung des Textes für andere hörbar zu machen.
Das Vorlesen ist ein dialogischer Prozess zwischen Vorleser und Hörer. Aus diesem Grund müssen soziale Situationen zum Vorlesen geboten werden, welche den Schülerinnen und Schülern als zusätzliche Motivation für die intensive Auseinandersetzung mit dem Text und der eigenen Stimme dienen und dem Vorleseprozess Sinnhaftigkeit verleihen.
Dies hat zudem positive Nebeneffekte im Hinblick auf die Zuhörer:
- Sie erhalten Einblicke in verschiedene Bücher durch die von den Vorlesern ausgewählten Textstellen, die als Anregungen dienen können, neue Bücher
- Es eröffnet insbesondere Schülerinnen und Schülern, die innerhalb ihrer familiären Sozialisation wenig Kontakt mit Büchern haben, die Welt der Bücher und des Lesens und kann (Vor-) Lesen als genussvolle Erfahrung erfahrbar machen.
Hieraus ergeben sich drei Ziele für die Vorlese-AG:
- Förderung und Forderung starker Leser: Vermittlung von Techniken für gutes Vorlesen und Ansporn, die Lesefertigkeiten, das Textverständnis und die Ausdrucksfähigkeit weiterauszubauen
- Vorlesen als genussvolle und soziale Erfahrung zu eröffnen
- Aufbau einer (Vor-)Lesekultur Umsetzung
Die Lese-AG findet einmal wöchentlich in der Schulbücherei statt. Insbesondere die Einrichtung der Schulbücherei mit gemütlichen Leseecken trägt zu einer Atmosphäre bei, die das genießende Lesen fördert.
An der AG haben 6 Kinder aus den vierten Klassen teilgenommen.
Anfangs wurde das Vorhaben vorgestellt, sich in den nächsten Stunden mit dem Vorlesen zu beschäftigen und Schülerinnen und Schüler der ersten und zweiten Klassen zum Vorlesen einzuladen sowie Vorlesewettbewerbe durchzuführen. Insbesondere die Einladung der Erst- und Zweitklässler wurde begeistert und motiviert aufgenommen. Bevor diese eingeladen wurden, wurde besprochen, was gutes Vorlesen ist und ausmacht und Kriterien für betontes Vorlesen gesammelt und aufgestellt. Die Schülerinnen und Schüler der AG entdeckten schnell verschiedene Lesetechniken, die einen guten Vorlesevortrag von einem monotonen Vortrag unterschieden. Für die weitere Arbeit wurden als Hauptkriterien folgende Lesetechniken von den Schülerinnen und Schülern aufgestellt:
- Deutliche und flüssige Aussprache
- Pausen beim Lesen
- Ein angemessenes Tempo und eine angemessene Lautstärke
- Ein Wechsel von: laut/leise; schnell/langsam und hoch/tief, um Spannung aufzubauen oder Gefühle zum Ausdruck zu bringen
Gemeinsam wurden Zeichen zur Markierung für die sprecherischen Variationen im Text aufgestellt.
Die Beachtung und Umsetzung der Lesetechniken wurden zunächst an kleinen Texten spielerisch erprobt und auf die Wirkung beim Zuhörer untersucht. Als die Kriterien den Schülerinnen und Schülern weitestgehend verständlich und bewusst waren, haben wir zur Übung Balladen gelesen. Die Balladen eigneten sich gut, um die sprecherischen Kriterien zu üben, da die Texte überschaubar waren, aber viel Raum zur Variation und Erprobung der Vorlesetechniken boten. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich intensiv mit dem Text, um die beschriebene Stimmung und die Gefühle der Personen herauszufinden und durch den Einsatz der Lesetechniken für die Zuhörer hörbar zu machen. Insbesondere die Ballade Nis Randers von Otto Ernst wurde von den Kindern mit Begeisterung gelesen und verblüffte sie hingehend der spannungsvollen Wirkung, die der Wechsel der sprecherischen Mittel nach sich zog. Hieraus entstand das erste Projekt der Lese-AG: die Ballade als Hörbuch.
Nachdem die Kinder nun bereits ein gutes Verständnis für die Vorlesetechniken besaßen, ging es an das Training für den Vorlesewettbewerb. Hierfür konnten die Kinder Bücher auswählen, die sie interessierten und sollten dabei überlegen, welche Bücher und welche Textstellen sich gut zum Vorlesen eignen und diese für den Vortrag bei
Vorlesewettbewerben vorbereiten. Hierzu wurden den Schülerinnen und Schülern Bücher verschiedener Genres
vorgestellt. Nachdem sie sich ein Buch ausgesucht hatten, wurde dies
gelesen und verschiedene mögliche Vorlesestellen herausgesucht, die in der Gruppe vorgestellt wurden. Nun entscheiden die Kinder gemeinsam, welche Stelle sich am besten eignet und für den Wettbewerb geübt werden sollte. Anschließend lasen die Kinder ihre Stellen, versahen sie mit Zeichen für die Betonung und übten ihre Stelle. Beim Üben stellte sich heraus, dass die Situation, laut zu lesen zunächst befremdlich für die Schülerinnen und Schüler war. Als hilfreich erwies sich die Unterstützung des Schulhundes Paula und der Schülerinnen und Schüler der ersten und zweiten Klasse, denen die Kinder vorlasen. So wurde die Übung des Vorlesens zu einer sozialen, gemeinschaftlichen Lesesituation, die die Kinder der AG mit Freude und Stolz erfüllte.
Auch von den Zuhörern wurde die Vorlesezeit gut angenommen. Vor allem Liridan, ein Schüler der zweiten Klasse, genoß die Vorlesezeit. Er wurde bald ein fester Teilnehmer der Vorlese-AG, ließ sich aus den unterschiedlichsten Büchern vorlesen und lernte dabei, mit den Vorlesern sowohl über die Inhalte der Bücher zu sprechen als auch Rückmeldungen zum Vorleser zu geben.
Bei einigen anderen Schülerinnen und Schülern der ersten und zweiten Klasse war es leider aus stundenplantechnischen Gründen nicht immer möglich, zu den Stunden dazu zu kommen. Da diese „echten“ Vorlesezeiten aber für die Teilnehmer der Lese-AG sehr hilfreich und vor allem mit großer Motivation, Freude und Stolz verbunden waren, sollte bei der zukünftigen Arbeit in der AG alternative Umsetzungsmöglichkeiten bedacht werden.
Kurz bevor der Lesewettbewerb vor der Tür stand, wurden Kinder aus den dritten Klassen eingeladen, die sich zu der Zeit ebenfalls mit dem Vorlesen im Unterricht beschäftigten. Die Kinder hatten nun die Gelegenheit, sich in die Situation des Wettbewerbs hineinzufühlen, indem sie ihren Vortrag (Büchervorstellung + Lesung) vor den anderen Kindern durchgehen konnten und Lob und Tipps erhielten. Dies war eine gute Vorbereitung auf den Vorlesewettbewerb. Nachdem die beste Schulleseratte bei einem schulinternen Wettbewerb gekürt wurde, ging es zum
Vorlesewettbewerb der Stadt Velbert. Während die anderen Teilnehmer der AG Melisa die Daumen drückten, erlas sich Melisa mit ihrem Buch Ella auf Klassenfahrt einen hervorragenden dritten Platz.
Nachdem nun der Vorlesewettbewerb als „Hauptaktion“ der Lese-AG erfolgreich hinter uns lag, beschäftigten wir uns mit der Frage, was wir tun könnten, um das Vorlesen für mehrere Schülerinnen und Schüler zu öffnen. Hieraus erwuchs ein neues Projekt für die Leseratten: ein Bilderbuchkino für die ersten Klassen.
So wurde zum Abschluss der AG das Bilderbuch Minus Drei wünscht sich ein Haustier von den Birther Leseratten vorbereitet und den ersten Klassen als Bilderbuchkino präsentiert. Dies war eine besonders schöne Erfahrung für die Kinder der vierten sowie für die Kinder der ersten Klassen. Im Anschluss an das Bilderbuchkino stellte Mirja als Birther Leseratte fest, dass ihr das Vorlesen für das Bilderbuchkino am meisten Spaß gemacht hätte, da sie selber von der Wirkung des Vorlesens gekoppelt mit den Bildern auf der Leinwand begeistert war und es für sie als Leserin sehr schön war, die gebannten Blicke der Erstklässler zu sehen. Auch die Angst vor Versprechern, die sie beim Vorlesewettbewerb hatte, wäre nicht eingetreten – stattdessen hätte sie sich sehr darauf gefreut, den anderen Kindern vorzulesen.
Die Leseratten erhielten viel positive Rückmeldung von den Kindern. Auch vom Kollegium wurde das Bilderbuchkino positiv aufgenommen und es entstand der Wunsch, dies auch für die zweiten Klassen durchzuführen. Die positiven Rückmeldungen nahmen wir mit Freude an und nehmen sie mit in die zukünftige Arbeit der AG.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Vorlese-Stunden in der AG sehr angenehm und entspannt waren und eine gute Möglichkeit boten, dem genießenden Lesen Raum zu geben, das Bewusstsein für die sprecherischen Kriterien sowie die Lesekompetenz hinsichtlich des Textverständnisses bei den Schülerinnen und Schülern stärken und ausbauen konnten.
Dennoch sollten für die weitere Umsetzung Projekte oder Rituale wie das Bilderbuchkino oder feste Vorlesezeiten für Interessierte im Rahmen der Möglichkeiten im Schulalltag bedacht werden, um die Möglichkeit der Eröffnung der Lesewelt und einer Lesekultur für Schülerinnen und Schüler aus einem „Bücherfernen“ Haushalt zu nutzen.